Story

Quino zog den Mund zusammen. "Ja, schräg könnte man das wirklich nennen.", entgegnete er ihr, während er misstrauisch zwischen dem weggehenden Vincenzo und ihr hin und her schaute. Ihm war ihr Blick nicht entgangen. Der Typ hatte nicht einmal Interesse daran gehabt ihre Namen zu erfahren. Was für ein arroganter Arsch.
Aber war das nicht genau, was Mädchen anziehend fanden?
Quino seufzte. "Ich muss zum Unterricht. Wollen wir uns später treffen und üben?"

"Alles klar, bis später", gab sie zurück und die beiden gingen getrennte Wege.

Der restliche Unterricht zog an ihr vorbei, wie die Werbung im Kino, die man sowieso nur mit Vorfreude auf den eigentlichen Film verbringt und ungeduldig darauf hinfiebert, dass es endlich losgeht.
So ging es dem blonden Mädchen mit ihrem bevorstehenden Treffen mit ihrem Projektpartner. Das Üben des Stücks für den Gitarrenunterricht stand dabei im Hintergrund. Vielmehr war es eine Idee, die ihre Gedanken vereinnahmte. Erst war es nur ein flüchtiger Einfall gewesen, der in ihrem Hinterkopf langsam gereift und zu einer mittelernsten Idee herangewachsen war. Stück für Stück fügten sich dann weitere Überlegungen dem Gedankenkonstrukt hinzu und formten eine Art diffusen Plan, bis schließlich eine übermächtige Begeisterung über das entstandene Vorhaben alles überschwemmte und ihren Entschluss besiegelte: Sie würde bei dem Gruppencontest teilnehmen! Und ihr musikalischer Begleiter stand auch schon fest.

Quino hatte den Tag viel zu viel Zeit darauf verschwendet an Nemis und Vincenzo zu denken. Er verspürte in seiner Brust eine unangenehme Wärme. War das Wut?
Nachdem Unterricht hatte sich Quino in den Raum gesetzt, in dem Nemis ihn dabei ertappt hatte, Gitarre zu spielen. Sie würden sich hier treffen.
So viel Zeit hatte er nicht, denn am Abend war er zum Zocken verabredet gewesen. Abgesehen davon konnte er das Stück schon nahezu perfekt. Ach, wenn ihm im Klavierspielen doch auch nur alles so leicht fallen würde... Nemis hatte sicherlich auch besseres zutun als mit ihm hier zu hocken und zu üben. Quino würde ihr direkt sagen, dass er noch was vor hat. Er wollte nicht derjenige sein, der zuviel Zeit hatte... und uncool wirken... Seufzend holte er seine Gitarre aus ihrer Tasche.
Nemis kam gerade rein. Mit hochgezogener Augenbraue musterte er sie. "Hey.", machte er. Irgendwas hatte sie.

Nachdem sie die Tür aufgeschmettert und geradezu in den Raum gesprungen war, fokussierte ihn entschlossen.
"Joaquín Ortega, ich brauche dich!"
Ihre Augen hatten sein seltsames Funkeln. Sie ging weiter zielgerichtet auf ihn zu und hielt ihm dann schwungvoll den Flyer entgegen.
"Mach mit mir beim Wettbewerb mit. Bitte."

Quino konnte gerade so verhindern leicht zusammenzuzucken, als Nemis hinein brauste. Ihre Wangen waren ganz rosig, das empfand Quino als niedlich und er fragte sich ganz kurz ob sie vielleicht in Gefahr schwe-
"Joaquín Ortega, ich brauche dich!", rief sie aus, zwar nicht ängstlich, aber... echt jetzt? Bei was könnte er ihr schon behilflich sein?
Er musste gar nicht lange grübeln, trotzdem standen ihm bereits Falten in der Stirn. Der Flyer war inzwischen unvergesslich, wie die Schule damit zu plakatiert war.
"Mach mit mir beim Wettbeweb mit. Bitte."
Er zog die Augenbrauen hoch. Dem ganzen war er von Grund auf misstrauisch eingestellt und sich selbst freiwillig auf irgendeiner Bühne Klavierspielen sehen, missfiel ihm.
Wenn Nemis begeistert war, dann war Quino definitiv das Gegenteil davon. "Wenn du einen Pianisten brauchst, dann findest du sicherlich einen Besseren. Hier an der Schule gibt es genügend davon. Tut mir Leid." Er zog die Schultern entschuldigend hoch.

"Wer spricht von einem Pianisten?", fragte sie fast verächtlich und verschränkte die Arme.
"Ich brauche einen Gitarristen oder besser gesagt - dich als Gitarristen. Du beherrscht die Technik wie ein Profi, hast Leidenschaft und wir harmonieren - das hat unsere Jamsession doch wohl bewiesen."
Sie ließ nicht locker und sah im folgenden etwas verlegen zur Seite, während sie weiter sprach:
"Und ich werd auch nicht selbst Gitarre spielen, falls du Angst hast dich mit mir zu blamieren", dann visierte sie ihn wieder und schmunzelte frech: "Wenn du ablehnst, quäl ich dich wieder mit Komplimenten und reiz dein niedriges Ego so lange, bis du zusagst oder durchdrehst."

Sie fand, dass sie zwei harmonierten. Quino wurde ganz warm ums Herz. Doch das Thema, das sie ansprach ließ es sehr schnell gefrieren.
Kopfschüttelnd hörte er ihr zu und sein Mund formte sich zu einer schmalen Linie. Es schmeichelte ihn, dass sie ihn einspannen wollte und klar, in einem Paralleluniversum hätte er das vielleicht machen können. Aber nicht mit seinen Eltern.
Er musste leise lachen.
"Du bist noch nicht lange hier..."Seine Augen suchten einen Punkt den er fixieren konnte, der nicht ihr Gesicht war. "Ach, Nemis." Er tätschelte sich den Hinterkopf. "Mir wurde verboten Gitarre zu spielen. Es tut mir leid."

Das traf sie ohne Vorwarnung. Ihr euphorischer Gesichtsausdruck ebbte ab, stattdessen zeichneten sich nun Skepsis und Verwunderung ab.
"..Was?", das machte für sie einfach keinen Sinn, aber seine Ausstrahlung ließ sie erkennen, dass es keine bloße Ausrede von ihm war. Er meinte es ernst. Aber warum sollte man sowas verbieten?
Ihre Arme sanken runter.
"Ich versteh nicht ganz...von wem? Wieso?"

Er hätte ihr jetzt die ganze Geschichte erzählen können, wie sein Vater so drauf war. Wie schrecklich streng er wirklich er sein konnte. .. Doch das hätte die ganze Stimmung ruiniert. Nemis' Gesichtsausdruck zeigte ihm jedenfalls, dass er ihren Frohsinn gekilled hat. Das tat ihm Leid.
"Erinnerst du dich an unser Gespräch von letztens?", fragte er und meinte damit sein Chop Suey Cover. Danach hatten sie über das Thema schon gesprochen. Nur hatte Quino ihr nicht erzählt, dass er eigentlich nicht Gitarre spielen darf. Das wussten sogar sehr viele, weil sein Vater einmal einen Streit mit einer Lehrerin diesbezüglich hatte. Und Eltern bei ihren Kindern auch trastschten...
Es war nur eine Frage der Zeit bis sein Vater das mit dem Gitarrenkurs herausbekommen würde, bis dahin hätte er aber noch die Chance etwas zu lernen. Wenn er auf diesem Contest auftreten würde, könnte er sich auch direkt in das Wohnzimmer stellen. Bei alldem Social Media Krams im Internet.
Quino verzog den Mund zur Seite, entnervt, aber seine Augen waren klar und keineswegs traurig. Er hatte sich schon damit abgefunden und wollte auch nicht bemitleidenswert wirken. "Mein Vater hat einen schlechten Geschmack.", grinste er dann neckisch und legte den Kopf schief.
"Wollen wir üben?", fragte er und schaute dann auf seine Gitarre. Shit, das war etwas zu hastig abgelenkt. Nemis war nicht dumm, sie wurde merken, dass ihm das Thema unangenehm war. Zwar war es ihm auch relativ egal, aber hatte er sich den Nachmittag mit ihr nicht so vorgestellt. "Das soll ja nicht heißen, dass du nicht teilnehmen sollst. Deine Stimme ist der Wahnsinn und sollte nicht verborgen bleiben." Er sagt das, während er seinen Kopf wieder zu ihr drehte und neckisch die Augenbrauen schwang.

So leicht ließ sich Nemis Gray nicht abwimmeln.
"Moment mal", hakte sie ein und blinzelte irritiert.
"Dass dein Dad einen miesen Geschmack hat, weiß ich noch. Aber dass er ein Tyrann ist, ist neu für mich. Wie kann er dir das verbieten? Du liebst die Gitarre", dieses Statement von ihm war ihr gut in Erinnerung geblieben.
Sie ließ sich auf den Stuhl neben ihm fallen und sah ihn immer noch fassungslos fragend an und dürstete nach mehr Details, um wenigstens einen fairen Versuch starten zu können, es zu verstehen.

Quino schaute sie erstaunt an. Nemis hatte tatsächlich nicht locker gelassen. Jeder Mensch, der kein Interesse an ihm gehabt hätte, naja, dem wäre es doch egal - Er lächelte schräg.
"Du siehst das viel zu schwarz. Meine Eltern sind altmodisch, sie verstehen das hier..." Er tippte auf die Gitarre. "...Nicht." Dann schaute Quino sie eindringlich ein.
"Und es sind ja nur wenige Jahre, zwei oder vielleicht drei? Und ich kann dann auf eine Universität gehen, ganz weit weg von ihnen und tun und lassen was ich will. Bis dahin spiele ich den lieben Buben, ich weiß, optimal ist es nicht, aber..." Quino fand kein aber, zuckte mit den Achseln und seufzte. "Es ist schwierig. Nimm es mir bitte nicht übel. Ich will nur Stress vermeiden." Dass gewöhnlicher Stress aufgrund seiner Noten und dem nicht besser gewordenen Klavierspiel, dennoch nicht ausblieb, verschwieg er. Zusätzlichen brauchte er wirklich nicht.
Das schlechte Gewissen hatte ihn schon während des Sprechens umzingelt und stach jetzt mit aller Wucht auf ihn ein. "Und naja, ich kann dich ja trainieren. Wie bei Rocky. Aber mit Gitarren, weißt du." Er hielt seine Gitarre wacklig hoch. Quino bevorzugte es in diesem Moment peinlich und nicht bemitleidenswert zu sein. Also zog er die Gitarre zurück an seinen Körper.

Nemis hatte sich schweigend und mit geraden Mundwinkeln alles angehört, doch am Ende schaffte er es, das zu ändern. Sie schloss die Augen, lachte leise auf und knuffte ihn. Wie kann dieser goldige Idiot nur so positiv tun? Das bricht einem ja das Herz.
"Irgendwie ist das zwar so, als würdest du mir gerade erklären wollen, dass deine Eltern ihr eigenes Kulturgut nicht verstehen, aber ok... du scheinst...damit klarzukommen."
Das tat er eigentlich nicht, aber sie wollte nicht auch noch auf seinem Stolz rumtrampeln. Sie schluckte ihr verletztes Gerechtigkeitsempfinden also vorerst runter und ließ sich auf seinen Vorschlag ein:
"Ich glaub, die Chance diesen Wettbewerb zu gewinnen, wäre durch das Niederboxen aller Kontrahenten immer noch größer, als wenn ich tatsächlich mit meiner Gitarre da antrete...Aber das wird dann einfach mein Plan B, wenn ich trotz der Hilfe meines grandiosen Trainers nicht klar komme", sie zwinkerte ihm zu.
Oh man auf was ließ sie sich hier nur ein...

Er lachte leise. Sie war so witzig, er räusperte sich, Quino durfte nicht übertreiben. Nemis indes durfte nämlich nicht wissen, dass er ihren Humor so schätzte. Also das Gefühl hatte Quino einfach. Vielleicht war das ein Männerding.
Sie übten das Godfather Theme, hatten die ein oder andere Unterhaltung über Musik und Bands, aber trotzdem war da noch die Spannung. Quino wusste, dass Nemis ihm nicht ihre wahre Meinung gesagt hatte, und Nemis wusste wahrscheinlich, dass Quino zutiefst traurig über seine aktuellen Umstände war.

Janis kam gerade aus der Kabine, als sie Ava vor dem Waschenbecken stehen sah. Mit hochgezogenen Augenbrauen stellte sie sich daneben und wusch sich ihre Hände im anderen Waschbecken.
Janis konnte die kleine Ava nicht ausstehen, ihr süßes Gehabe, die bescheuerten Locke, vor allem aber ihre quitschige Stimme.
Nachdem Ava sich die Hände gewaschen hatte, richtete sie ihren Lockenkopf. Janis lehnte sich währenddessen gegen die Wand und schaute sie durch den Spiegel an. "Es ist eigentlich völlig egal, was du machst, so oder so, wirst du scheiße aussehen."
Janis' süffisantes Grinsen war für Ava inzwischen ein Synonym zur Schule geworden. "Hast du nichts besseres zutun, Janis?"
"Eigentlich nicht, nein." Janis starrte sie weiterhin durch den Spiegel an.

Nemis hörte die beiden vom Inneren der Kabine aus. Als sie fertig war und zum Waschbecken ging, konnte sie nun die Mädchen sehen, zu denen die Stimmen gehörten. Beide kannte sie nicht, zumindest hatte sie noch nicht mit ihnen gesprochen. Der Lockenkopf der Kleineren war ihr jedoch schon einmal auf dem Gang begegnet.
Sie wusch sich die Hände und betrachtete dabei ihre Hände unter dem Wasserstrahl.
Nemis wusste nicht, welche Vorgeschichte diese Zickerei hatte, aber sie hatte mitbekommen, wer damit begonnen hatte. Mit dem nächsten Augenaufschlag sah sie von unten auf in den Spiegel und visierte nun Janis mit strengem Blick an.
"Wenn du sonst nichts zu tun hast, schlag ich vor, du schlägst den Begriff "soziales Benehmen" nach oder kümmerst dich einfach um deine eigenen Baustellen, anstatt anderen welche einzureden"
Inzwischen war sie fertig und kehrte Janis ihren Rücken zu, während sie sich die Hände abtrocknete.

Erst hatte Janis dem Mädchen überhaupt keine Beachtung geschenkt, ehe sie zwei grauschimmernde Augen fixierten. Überrascht und amüsiert nahm Janis die Worte entgegen.
Ava war wie erstarrt und schaute zwischen ihnen hin und her. Während Nemis sich die Hände abtrocknete, öffnete sie hastig die Tür, für Zeugen, die auf den Gängen rumschwirrten. Sie traute sich nicht einmal Janis anzusehen.
„Ist schon okay.“, winkte Ava ab. Als hätten Avas Worte die Spannung zerfetzt um Platz für mehr Worte zu bieten, trat Janis vor. Ihr langes Haar schwang dabei. „Du bist die Neue.“, sagte sie wissentlich. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Bisher hatten sie noch nicht miteinander gesprochen. Nicht, dass Janis dies gewollt hätte. Und nun gab die kleine Amerikanerin sich ganz mutig. Wie reizend.
Ava hatte jede erdenkliche Vorstellung von dem was geschehen könnte, aber die Worte, die Janis dann sagte, musste sie zwei Mal im Kopf wiederholen um sie zu verinnerlichen.
„Schön... dich kennenzulernen.“ Eine ihrer geschwungenen Augenbrauen zog sich in die Höhe.
Ava nahm Nemis‘ Hand und zog sie raus. „Bis später dann, Janis.“, rief sie ihr zu und die Tür schloss sich hinter ihnen, als sie im Gewusel der Schülerameisen förmlich verschwanden.
Ava hatte die Hände zu lockeren Fäusten geformt und unter ihr Kinn gedrückt. Ihre Augenbrauen waren hochgezogen und sie grinste breit. „Soooo cool!“, sagte sie und lockerte sich dann leicht schüttelnd, aber immer noch lächelnd. „Man liest sowas oder sieht es in Serien, aber ich glaub’s nicht, du hast ihr so die Stirn geboten. Ich glaube du hast sie sprachlos gemacht. Und...“ Sie blieb wie angewurzelt stehen, ihr Lächeln verschwand und ein Schatten wand sich über niedliches Gesicht. „für immer eine Feindin gewonnen.“ Ihr Mund formte sich zu einer Linie und sie blickte zu Nemis, dann mussten im Strom der Schüler natürlich weitergehen.
„Wie heißt du eigentlich?“

Nemis war sich gar nicht wirklich bewusst, was sich dort eben abgespielt hatte, bis Ava sie draußen damit konfrontierte. War das wirklich so eine große Sache gewesen? Das alles klang schrecklich dramatisch und endgültig, dafür dass es damit begonnen hatte, dass sie nichtsahnend einfach nur pinkeln gegangen war.
"Ich bin Nemis", antwortete sie und hängte dann noch eine überspitzte Imitation von Janis hinten dran: "Schön... dich kennenzulernen", ehe sie darüber in Lachen ausbrach.
"Wie ist dein Name und was hat diese Janis eigentlich für ein Problem?"

Ava kicherte, als Nemis ihre Tyrannin nachäffte. Ihre anderen Freundinnen trauten sich das nicht mal in ihrer Abwesenheit. "Ava.", erklärte sie, ehe sie sich mal wieder ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht fummelte. "Manchmal kann ich echt nervig sein durch meine quirlige Art. Ähehe." Sie zog die Schultern hoch.
Ein schwarzhaariger Kerl, Ava hatte seinen Namen vergessen, tauchte neben Nemis auf.
"Hey Nemis.", sagte Quino und schaute dann zum Lockenkopf. Hatte sie schon wieder neue Freunde gefunden? Eingeschnappt dachte Quino an den rauchenden Vincenzo und dass dieser wahrscheinlich schon ein Auge auf Nemis geworfen hatte. Quino schaute sie lächelnd an.
"Was treibt ihr so?"

Nemis musste schmunzeln, als sie von Ava schon mal wegen ihrer quirligen Art vorgewarnt wurde. Ein hohes Selbstbewusstsein hatte das kleine hübsche Mädchen definitiv nicht zu haben.
Doch ehe sie darauf etwas erwidern konnte, tauchte ihr Kumpel auf. Irgendwie war er überall, aber das störte sie nicht.
"Hey Maestro. Du glaubst nicht, was man auf dem Mädchenklo alles mitkriegt. Da war so eine Zicke, die irgendwie versucht hat ihr Revier zu markieren oder so...also...verbal meine ich. Und da hab ich gerade Ava hier kennengelernt"
Die Blonde zeigte mit beiden Händen zu der Schülerin neben sich, um die beiden miteinander bekannt zu machen, falls sie sich noch nicht kannten.

Quino fragte sich wer das gewesen sein könnte und blickte fragend Ava an, dann freundlich. "Ich bin Quino." Dass Nemis ihn mit Maestro angesprochen hatte, war ihm nicht entfallen. Er wusste nur nicht wie er darauf reagieren konnte, also reagierte er gar nicht darauf. Er fragte sich manchmal, ob sie überhaupt verstand, dass sie eigentlich ein herausragendes Talent war. Auch da hatte Quino keinen Plan, wie er ihr das zu verstehen geben könnte.
Ava grinste schräg. "Seid ihr zusammen?"
Quino zuckte und blieb stehen. "Nein, nein.", lächelte er. "Wir sind Freunde, also Projektpartner..."

Nemis zuckte ebenfalls kurz bei Avas unverblümter Frage, sah dann jedoch neugierig grinsend zu Quino. Bei seiner Antwort schob sie die Augenbrauen zusammen und ihr Grinsen wurde schräg.
"Austch. Nur Projektpartner?"
Sein Zurückrudern von 'Freunde' auf 'Projektpartner' hatte sie tatsächlich etwas getroffen, immerhin war er immer noch ihr einziger richtiger Kontakt an dieser Schule voller Fremder. Aber anstatt sich dieses Statement schweigend zu Herzen zu nehmen, sprach sie ihre Gefühle darüber so überspitzt aus, dass sie die Wahrheit dadurch schon wieder vertuschte.
"Wenn ich gewusst hätte, dass unsere Verbindung für dich rein geschäftlich ist, hätte ich dir nie meine Lieblingskarikatur von Mr. Abrams geschenkt. Du Unkumpel..."
Gespielt eingeschnappt verschränkte sie die Arme und drehte ihr Gesicht mit erhobener Nase von ihm weg.

Quinos Herz schlug ihm bis zum Hals. Er hatte großen Mist verzapft. Dabei wollte er doch nur nicht vor dem Kopf gestoßen werden und nun hatte er es bei ihr getan. Trottel.
"Geschäftlich und privat natürlich auch.", hob er abwehrend die Hände. Das klang auch sehr schräg und er wusste einfach nicht, was er noch sagen sollte. Ava kicherte und sagte: "Wir sehen uns gleich in Bio, Nemis?", ehe sie verschwand.
"Das war wirklich nicht böse gemeint.", sagte Quino, als sie endlich allein waren. "Ich hatte noch nie einen weiblichen Freund, wenn ich ehrlich bin.", fügte er schnell hinzu. Um sich zu verteidigen. Oder um es wieder gut zu machen. Es wurde ganz warm hinter seiner Stirn. Er betete, jetzt nicht auch noch schwitzen zu müssen.
"Und was sind wir dann?", fragte Janis die hinter Quino auftauchte, ihm den Arm um die Schulter legte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. Eigentlich waren sie keine Freunde. Zwar vertraut, weil ihre Mütter befreundet waren und sie in der Mittelstufe eine Fahrgemeinschaft hatten, sich deshalb täglich auf Hin- und Rückweg sahen und natürlich auch gelegentlich, wenn die Mütter sich trafen, aber selbst da verbrachten sie nicht direkt Zeit miteinander. Er spielte meistens Playstation, während sie am Handy hing. Mit ihren 12, 13 Jahren.
In der Schule neckte Janis ihn mal gerne und brachte ihn in Verlegenheit. Er glaubte, sie brauchte das für ihr Ego.
Und jetzt funkelte Janis' Augen in Nemis' Richtung und Quino verstand erst viel zuspät, dass Janis wohl diejenige sein musste, die Ava in ihrem Beisein geärgert hatte... Janis' Arm fühlte sich plötzlich ungemein schwer an.

"Bis gleich", verabschiedete sie Ava.
Putzig, wie Quino so in Verlegenheit geriet. Doch ein bisschen war es auch eine Genugtuung für sie, dann tatsächlich auch noch als ersten weiblichen Freund bezeichnet zu werden. Dieses Privileg genoss sie zumindest volle 2 Sekunden, bis der Auftritt dieser unliebsamen Person alles schlagartig veränderte.
Nemis Gesichtszüge froren ein, als sie die Tussi von eben so vertraut mit Quino umspringen sah.
Zwar nahm sie irgendwo im Hinterkopf schon wahr, dass Quinos sich mit seiner Körpersprache gegen diese Vertrautheit zu wehren schien, aber was alles überlagerte, war die Tatsache, dass ihre neugewonnene Feindin offenbar in einem engen Verhältnis zu ihrem einzigen Freund stand. Diesen Eindruck hatte Janis ihr durch den Kuss auf seine Wange geradezu um die Ohren gehauen.
Etwas perplex blinzelte die Amerikanerin schließlich und löste sich aus ihrer Starre, um ein möglichst amüsiertes Lächeln aufzusetzen.
"Offenbar bist du in seinen Augen entweder nicht weiblich oder kein Freund. Was ist dir lieber?"
Nachdem sie Janis einen messerscharfen Blick zugeworfen hatte, schwenkte sie mit wesentlich weicherem Ausdruck zu Quinos Augen rüber, um ihm die Antwort zu überlassen.

Janis' Augenwinkel zuckten vor Wut. Das konnte Quino deutlich sehen. Der Kloß in seinem Hals hatte sich noch nicht gelöst. Er stand zwischen zwei Fronten, das war ihm klar. Aber die Gewalt an Energie, die diese beiden jungen Frauen ausstrahlten war enorm. Das waren zwei Naturgewalten.
"Wie süß. Ist da Jemand etwa eifersüchtig? - Gut zu wissen." Janis packte Quinos Wangen und drückte ihm erneut einen Kuss auf die Wange, ehe sie eine Schulter nach vorne schob, diese lässig anhob und mit der Zunge schnalzte. Quino löste sich vorsichtig von ihr. Währenddessen zog er eine Grimasse, als würde er einen Tiger nicht wecken wollen. Janis erinnerte ihn tatsächlich an einen Tiger, aber was war dann Nemis? Vielleicht eine Löwin? Nein, mit diesen Augen, eher,... eine Wölfin! Quino ärgerte sich über seinen Verdrängungsmechanismus als er diesen erkannte. Er räusperte sich.
"Holen wir alle erstmal tief Luft.", lächelte er und runzelte mit der Stirn. Janis ignorierte ihn gekonnt und ging einfach einfach. "Bis dann, Quino!", sagte sie verspielt niedlich.
"Ich weiß wirklich nicht, was in sie gefahren ist...", flüsterte Quino und sah ihr nach. Ihr Haar schwang entgegen gesetzt zu ihren Hüften. Man hätte Quinos Blick vielleicht falsch deuten können, aber er überlegte wirklich nur, ob Janis noch ganz dicht war.

Sie tat es schon wieder. Sie küsste ihn, als wäre er ein willenloses Spielzeug. Und er tat nicht sonderlich viel, um aus dieser Rolle auszubrechen. Es verschlug ihr kurzzeitig die Sprache.
Und dann versuchte er auch noch zu vermitteln. Warum nahm er diese Psychopathin auch noch in Schutz? Da lief doch echt was...
Als sie den Kriegsschauplatz verlassen hatte, fand die schlagfertige Nemis ihre Worte wieder.
"Ich weiß wirklich nicht, was in sie gefahren ist..."
"Gesunder Menschenverstand war es offensichtlich nicht", grummelte sie halblaut mehr zu sich selbst.
Dann sah sie ihren Gegenüber fast schon schockiert an.
"Quino, wer ist diese Geiselnehmerin? Und warum lässt du dir das gefallen? Das ist doch demütigend..."
Nemis ging fest davon aus, dass sie nur deswegen so entsetzt war, weil Janis geradezu spielerisch auf seinem freien Willen rumtrampelte. Was sollte auch sonst die Ursache für ihre aufgebrachten Gefühle sein?
Doch im nächsten Moment ertönte auch schon das zweite Signal, dass die Pause vorbei war.
Sie seufzte und wandte ihren Blick von ihm ab.
"Lass uns später reden, ich muss los...", und so verließ auch die Wölfin den Tatort und ging über den mittlerweile fast leeren Flur an ihm vorbei zu ihrem nächsten Unterricht.

Quino und Nemis trugen ihr Godfather Theme nahezu perfekt vor. Mr. Abrams war sehr angetan und machte ihnen Komplimente, die dann irgendwie dazuführten, dass er über die verschiedenen Gefühle, die Musik hervorrufen konnte, sprach. Er hatte einen Hang dafür Gedankenexkurse zu machen, die er gerne mit der ganzen Klasse teilte.
In der Zeit hatte er Nemis und Quino kaum noch Beachtung geschenkt und sie setzten sich zurück auf ihre Plätze. "Ich bin richtig stolz auf uns.", begann Quino. Er hoffte, dass seine Bekanntschaft mit Janis ihm nicht all zuviele Sympathiepunkte genommen hatte. "Und wie läuft das Üben für den Contest?", flüsterte er nun, als würden er einen Mord mit ihr aushecken wollen. Da er es ausgeschlagen hatte, mitzumachen bei dem Contest, fühlte er sich schuldig und fragte Nemis bei jeder Gelegenheit wie es so lief. Er hatte das Gefühl, das war das Mindeste was er tun konnte. Zumindest bis Nemis sich für einen Song entschieden hätte und er ihr endlich helfen könnte beim Gitarrespielen. Denn nun wo sie das Filmtheme vorgetragen haben, hatten sie eigentlich keinen Grund mehr sich nach der Schule zu treffen. Und Quino würde diese Zeit jetzt schon vermissen. "Hast du denn schon einen Song?"